Die Geschichte vom verkrüppelten Fuchs und vom großmütigen Löwen:
Es geschah einmal…
Eines Tages wurde ein Mann von einem spirituellen Drang ergriffen. Wer in jenen Tagen spirituell durstig war, ging in den nahegelegenen tiefen Wald. Dies tat er und fand einen Baum, unter den er sich mit gekreuzten Beinen hinsetzte. Er begann, die heilige Silbe AUM, auch als OM bekannt, anzustimmen. Nun kannst Du AUM nur eine zeitlang chanten; danach hat Dein Magen sein eigenes AUM, mit dem er sich Gehör verschafft. Jedes Mal, wenn sein Magen knurrte, ging der Mann in die Stadt, um etwas zu essen. Dann kam er zurück, um seine asketischen Übungen fortzusetzen.
Eines Tages kehrte er nach seiner Mahlzeit zurück und setzte sich auf einen Felsen. Er wollte gerade sein chanten fortsetzen, als er einen Fuchs bemerkte. Dieser hatte beide Vorderbeine verloren, sah aber dennoch wohlgenährt und gesund aus. Dies kam dem Mann höchst sonderbar vor. War es doch seltsam, in einem Dschungel, in dem das Gesetz des Stärkeren herrscht, ein behindertes, aber gesundes Tier zu finden. Wie hatte es dieser Fuchs geschafft, zu überleben? Verwundert schaute der Mann ihn an. Nach einer Weile fuhr er mit seinen Übungen fort. Während er an diesem Abend meditierte, vernahm er das Knurren eines Löwen. Sofort vergaß er seine Übungen und kletterte auf einen Baum. Da erschien ein Löwe mit einem großen Stück Fleisch in seinem Maul. Zur Verblüffung des Mannes ging der Löwe auf den verkrüppelten Fuchs zu, ließ das Fleisch vor ihm fallen und ging wieder davon. Der Fuchs aber machte sich über sein Abendessen her. Ungläubig schaute der Mann der Szene zu, die sich Tag für Tag auf die gleiche Weise wiederholte.
Der Mann konnte seinen Augen kaum trauen. Ein verkrüppelter Fuchs, der von einem großmütigen Löwen gefüttert wird? Es war ein Wunder. Das muss eine Botschaft von Gott sein, dachte er. Was Gott wohl versucht, mir damit zu sagen?
Und nachdem er eine Weile mit dieser Frage saß, ging ihm ein Licht auf. Wenn sogar ein verkrüppelter Fuchs im Dschungel von einem großmütigen Löwen gefüttert wurde, warum sollte er dann immer wieder in die Stadt rennen, um sich etwas zu essen zu besorgen? Ganz sicher wollte Gott, dass er darauf vertraute, versorgt zu werden und sich auf das zu konzentrieren, auf das es wirklich ankam: seine spirituelle Übung. Also änderte er seine Strategie: In den nächsten Tagen setzte er seine Übungen fort, ohne sich vom Fleck zu bewegen.
Am vierten Tag war er bereits bedenklich schwach. Am fünften Tag konnte er sich kaum noch bei Bewusstsein halten. Am siebten Tag rang er keuchend um sein Leben und befand sich schon in den Fängen des Todes. Zufällig kam ein Yogi des Weges. Als er die Geräusche des Mannes hörte, fand er ihn und fragte: „Was ist denn mit dir los? Warum bist Du in diesem Zustand?” “Weil eine himmlische Botschaft zu mir gekommen ist. Ich habe sie befolgt und nun sie Dir mein Elend an.” “Was denn für eine himmlische Botschaft?” Und so erzählte der Mann dem Yogi die ganze Geschichte vom verkrüppelten Fuchs und dem großmütigen Löwen. “Also sag mir, Yogi“, keuchte der Mann, “war das nun eine göttliche Botschaft oder nicht?” “Ja, vermutlich“,, sagte der Yogi, “aber warum hast du beschlossen, Dir den verkrüppelten Fuchs zum Vorbild zu nehmen und nicht den großmütigen Löwen?“
Mich gefällt diese Geschichte, da sie recht eindeutig vermittelt, dass wir vieles selbst in der Hand haben und entscheiden können, wo wir den Blick hinlenken und was uns in unserem Handeln leitet. Ich denke, wenn wir verstehen, dass wir für unser eigenes Leben verantwortlich sind und immer wieder bewusst entscheiden können, werden wir vermutlich von ganz alleine die Entscheidung treffen, bewusst statt unbewusst zu leben. Und damit lösen wir uns von unseren eigenen Zwängen und Mustern.
Welche Gedanken löst das bei Dir aus?
Einen guten Wochenstart wünscht Claudia